Die Gilde der Hutmacher – Geheimnisse aus Stoff und Seide

von Tamzin Merchant
Loewe Verlag
2022, 372 Seiten
Altersempfehlung: ab 10 Jahren
Preis: 18,00 Euro

Noli Nocere – Richte niemals Schaden an!

Der König steht mit nichts außer einer spitzenbesetzten Pluder-Unterhose, einer scharlachroten Jacke, die leider nicht zugeknöpft ist und glänzenden Schuhen aus Schlangenleder auf dem Thron. Ja, er steht auf dem Thron, wo normalerweise königliche Hoheiten erhaben sitzen. Und das ist noch nicht alles: Er steht auf einem Bein und dazu blökt er wie ein Schaf.

Die 12-jährige Cordelia, die Tante Ariadne und Onkel Tiberius an den Hof begleitet hat, kann es nicht fassen. Das soll König George sein? Die drei sind nach einer langen arbeitsreichen Nacht mit dem dringend benötigten Konzentrationshut ins Schloss geeilt. Der salbeigrüne Hut, bestückt mit einer Rosmaringirlande für das Erinnerungsvermögen, Spinnenseide der braunen Studienspinne, die – ganz wichtig – vor dem Mondaufgang geerntet wurde, außerdem mit einer frischen Blüte der St. Aigis-Rebe und einem kristallklaren Tropfen aus dem Peilglas, sieht prächtig aus. Nun muss er nur noch die gewünschte Wirkung entfalten, denn Lord Witloff, der die Gilde der Hutmacher am Abend vorher angefleht hat, den König aus seinem wundersamen Zustand zu holen, ist schlicht verzweifelt.

Tante Ariadne holt den Hut aus der grauen Hutschachtel und schüttelt bedauernd den Kopf. Ihr Bruder, Prospero Hatmaker, ist mit seinem Schiff in der Nacht untergegangen und mit ihm die seltene Ohrenfeder der Eule der Athene. Genau diese Feder aber hätte dem Hut den letzten Schliff, den alles entscheidenden Besonnenheitsfaktor und vor allem Klugheit gegeben. Nach einem kleinen Gerangel, sitzt der Hut auf des Königs Kopf. Doch anstatt Scharfsinn und Weitsicht, tritt unglaubliche Trostlosigkeit in die Augen des Königs. Der Hut hat versagt.

Als der König auch noch wild mit den wichtigen Staatsdokumenten und der Tinte im Thronsaal um sich wirft, verzweifelt versucht seine Schlangenlederschuhe abzustreifen, wird es selbst seiner Tochter, Prinzessin Georgina, zu viel. Mit Hilfe des Leibarztes wird König George hinausgebracht und Prinzessin Georgina übernimmt ab sofort die Amtsgeschäfte.

Derweil sind alle im Haus der Hutmacher zutiefst traurig und schockiert. Cordelia kann es immer noch nicht fassen. Ihr Vater, Prospero Hatmaker, der alle sieben Weltmeere wie seine Westentasche kennt, soll ausgerechnet kurz vor dem Heimathafen mit seinem Schiff, der Jolly Bonnet untergegangen sein.

Cordelia hat in der darauffolgenden Nacht einen merkwürdigen Traum und als sie am Morgen aufwacht, ist sie sich sicher: Ihr Vater ist nicht ertrunken, er ist nur verloren gegangen.

Natürlich begibt sich Cordelia auf die Suche nach ihrem Vater. Sie trifft sich heimlich mit dem jungen Goose aus der Gilde der Stiefelmacher und lernt den diebischen Zeitungsjungen Sam Lightfinger kennen.

Und dann! Aber halt mal! Was tue ich hier eigentlich! Ihr solltet, nein Ihr müsst diese Geschichte einfach selbst lesen.

Wie solltet Ihr sonst verstehen, wie wundersam die Hüte aus Cordelias Familie sind und wieviel Fingerspitzengefühl und Magie jedes einzelne Exemplar benötigt und vielleicht wüsstet Ihr dann auch, welche Zutaten Euer Hut haben muss.

Mein Hut wäre jedenfalls purpurfarben, mit einer tiefschwarzen Rabenfeder und etwas frisch gemähtem Sommergras, getrockneten Erdbeerblüten, dem winzigen Blubb eines Mondfisches und den perlenden Wassertropfen von der Stelle, an der sich zwei Meere küssen.

Bremen, 2. August 2022