Immer kommt mir das Leben dazwischen

von Kathrin Schrocke
Mixtvision Verlag
2019, 182 Seiten
Altersempfehlung: ab 12 Jahren
Preis: 14,00 Euro

Karl Schmitz (so könnte jemand aus einem Kölner Karnevalsverein heißen) ist kurz vor 14, hat Wissenschaftler als Eltern (die sich diesen bekloppten Vornamen ausgedacht haben, weil ein Nobelpreisträger, den sie verehren, so heißt), ist verknallt in Irina aus Polen von gegenüber (die leider mit einem aus der Oberstufe befreundet ist), hat eine coole Oma und einen kürzlich verstorbenen Opa, der ihm gerade gestern Nacht wieder im Traum erschienen ist, um ihm seinen Lebensweg aufzuzeigen: Youtuber.

So weit, so schräg.

Youtuber zu sein, ist Karls Lebensziel. Er wünscht sich mindestens drei Millionen Follower und träumt von einer Menge Kohle.

Schade nur, dass ihm das Leben immer wieder einen Strich durch die Rechnung macht. Wieso? Naja, es passiert beim sonntäglichen Kaffeetrinken mit der Familie, dass Oma ihnen allen eröffnet, dass sie gedenkt, in Kürze in ein Mehrgenerationenhaus zu ziehen. Schließlich sei sie noch nicht tüdelig und will nicht alleine in der großen Wohnung ohne Opa vereinsamen. Wie reagiert die Familie? Wie im Film.

Von „Das kann doch wohl nicht wahr sein“ bis „Du könntest ja auch bei uns wohnen“ und weiteren schrecklichen Vorschlägen ist alles dabei.

Und wieder schaltet sich Opa per Traumbotschaft ein. „Du musst Oma unbedingt beim Umzug helfen. Aber keiner darf davon wissen, alles klar?!“

Klar. Wenn sonst nichts ist, Opa.

Karl und seine beiden Cousins beraten sich kurz und sind wild entschlossen, Oma zu helfen. Prima. Oma hat nämlich schon alles geklärt. Zum Probewohnen kann sie aus der Wohnung ein paar Sachen mitnehmen. Fehlt nur noch ein Umzugswagen mit Fahrer. Nichts leichter als das. Ihr Kumpel selbst kann nicht kommen (Hausarrest), schickt seine Schwester Larissa. Die taucht mit einem pinkfarbenen Bulli auf und los geht’s mit dem Umzug. Karl hakt mal eben seine Schwärmerei für Irina ab und konzentriert sich voll auf Larissa. Dass sie schon 17 ist, stört ihn nicht. Dass sie keinen Führerschein hat, verschweigt sie ebenso wie die Tatsache, dass sie sich den Bulli „ausgeliehen“ hat. Das schreit danach, dass alles auffliegt. Polizei, Handys werden eingezogen (das ist das Ende der Welt! Keine Kommunikation mit niemandem. Festnetz? Doch nicht mit Karl und seinen Cousins!) Elterngespräch – die ganze Nummer.

Die Verzweiflung ist groß. Irina erinnert daran, dass sie irgendwann mal in Ethik besprochen hatten, dass die Menschen früher so was wie Briefe geschrieben haben. Wie bitte?! Alles unter Niveau. Geht gar nicht.

Aber egal. Was soll ich sagen?! Der Umzug hat geklappt. Das Mehrgenerationenhaus Fidibus ist großartig. Die Leute sind super nett und Oma lebt auf. Und der Rest der Familie bleibt weiterhin ahnungslos. Das alles geheim zu halten, ist für die Jungs nicht ganz so einfach. Jetzt könnte Karl sich um seine Karriere als Youtuber kümmern.

Und schon wieder hat das Leben andere Pläne.

Seit kurzem hat Karls Mutter einen neuen Chef. Und der hat wohl mehr als ein Auge auf seine Mutter geworfen. Immer öfter gibt es Meetings, Arbeitsessen und solche Sachen, die Karl irgendwie aus seiner Umlaufbahn zu werfen drohen. Also – Irritationen auf allen Seiten. Dann beschließen die Eltern auch noch, sich eine Auszeit zu nehmen. Karls Vater zieht aus, weiß aber noch nicht so recht, wohin. Eher zufällig trifft Karl ihn wieder, als er Oma nach der Schule im Fidibus besucht. Was macht der denn hier?!

as mit dem Geheimhalten geht nicht mehr lange gut. Und irgendwie kommt Karl immer noch nicht dazu, als Youtuber Follower zu sammeln. Bis sich das Lebensblatt wendet. Zu Karls, zu Irinas und zu der Eltern Glück.

Kathrin Schrocke kommt aus Augsburg, lebt in Essen und baut dort aktuell gemeinsam mit 40 weiteren Personen an einem Mehrgenerationenhaus. Kein Wunder also, dass dieser Roman so voll ist vom richtigen Leben! Ich hatte so unglaublich viel Spaß beim Lesen, auch deshalb, weil ich mich so sehr in Karl und seiner Geschichte wiedergefunden habe. Unglaublich!

Dieses Buch braucht einen Preis.

Bremen, 18. August 2019