Der Streik der Farben

von Drew Daywalt
NordSüd Verlag
2016, 40 Seiten
Altersempfehlung: ab 4 Jahren
Preis: 15,99 Euro

Ich kenne jemanden, der kauft für seine Küche alles Nötige in ein und derselben Farbe ein. Ratet! Richtig. Rot. Gut.

Machen wir mal in dieser Richtung weiter. Fast alle Kinder , die ich kenne, malen am allerliebsten alles in ihrer Lieblingsfarbe. Und welche ist das? Richtig. Rot. Wen wundert es dann, dass die Farbe rot irgendwann die Nase gestrichen voll hat und streikt. Glaubt Ihr nicht? Ich schwöre, ich habe das gerade gelesen. Also gut, ich erzähle:

Eines schönen Schultages durchwühlt Duncan vergeblich seinen Rucksack nach seinen Farbstiften. Stattdessen fischt er höchst erstaunt einen Packen Briefumschläge hervor, die fein säuberlich von einer Kordel zusammengehalten werden. Duncan entknotet die Kordel, öffnet den ersten Umschlag. Er ist von Rot, die sich bitter über ihr Arbeitspensum beklagt. Pause? Fehlanzeige. Ferien? Noch nie! Sonn- und Feiertage? Ha! Weihnachten, Nikolaus oder Feuerwehrautos?? Nein. Nada. Punkt. Rotwill eine Pause. Wegen Überarbeitung. Sofort.

Duncan versteht die Welt nicht mehr. Lila bemängelt, dass Duncan es bis heute nicht schafft, innerhalb der vorgegebenen Linien zu malen. Schließlich ist sie eine ordnungsliebende Farbe und mit ihren Nerven am Ende. Die Farbe Beige will nicht länger Senfgelb genannt werden oder gar die zweite Wahl nach Braun sein. Das empfindet sie als Diskriminierung, als ungerecht und niederschmetternd. Beige streikt.

Und dann wäre da noch Grau. Duncan malt gerne große Elefanten, Flusspferde und Buckelwale. Alle grau. Die Farbe ist am Ende ihrer Kraft, bittet darum, kleinere Tiere, wie zum Beispiel Mäuse auszumalen, die seien schließlich kleiner und nicht so arbeitsintensiv.

So geht das weiter, bis Pink sich zu Wort meldet. Dieser unfreundliche Farbstift pöbelt Duncan recht unhöflich an, weil er so gut wie nie mit ihm gemalt hat. Eine Spur freundlicher bedankt sich Pink bei Duncans Schwester, die immerhin ihre Prinzessinnengemälde mit Pink schmückt. Eine Pause braucht Pink nicht, sie will beachtet werden.

Nachdem Duncan die Briefe seiner Farbstifte gelesen hat, bekommt er ein schlechtes Gewissen. Sie haben ja Recht, denkt er. Sie alle. Ich habe meine Bilder immer nur mit einer einzigen Farbe gemalt. Er beschließt, das zu ändern, damit seine Farbstifte nicht noch ein Mal die Mitarbeit verweigern.

Übrigens, seid Ihr wie Duncan? Dann rate ich Euch, schnellstens etwas zu ändern, oder Ihr findet eines schönen Schultages in Eurem Rucksack statt Eurer Farbstifte ein paar Briefumschläge.

Bremen, 4. August 2016